von Dr. Götz Loos
Kamen. Dass die Stadt Kamen schon in älteren Reisehandbüchern - seit dem Zeitalter der Aufklärung, allerdings zumeist erst in späteren Abschnitten desselben - erscheint und auch historisch früh gewürdigt wurde (vor allem in Johann Diederich von Steinens "Westphälischer Geschichte"), ist eigentlich nichts Neues. Doch dass es in einem mehrbändigen Werk berücksichtigt wird, welches eine geographische Darstellung der ganzen Erde zum Ziel hat, ist zumindest nichts Alltägliches. Auch wenn es nur vergleichsweise wenige Zeilen sind, so wird Kamen im sechsten Band von Anton Fried(e)rich Büschings "Erdbeschreibung" behandelt.
Büsching, 1724 in Stadthagen geboren und 1793 in Berlin gestorben, war in erster Linie evangelischer Theologe. Wer über ihn erste Informationen sucht, wird durch einen ihn betreffenden Wikipedia-Eintrag bereits umfassend informiert. Tätig war er als Hauslehrer, Professor für Philosophie, Pfarrer, Gymnasialdirektor und königlich preußischer Oberkonsistorialrat. Ob und inwieweit er unseren Raum aus eigener Anschauung her kannte, ist mir nicht bekannt; seine Arbeitsorte lagen im heutigen Schleswig-Holstein (Itzehoe), in Sankt Petersburg und Berlin. Er hatte jedoch umfangreiche Beschreibungen und statistische Daten gesammelt, die er zur Erstellung seines Werkes verwendete.
Seine Arbeit als Geograph war weithin erdkundlich orientiert, so wie die Geographie in jener Zeit meist verstanden wurde. Dies wird auch in anderen Werken von ihm deutlich, z.B. "Vollständige Topographie der Mark Brandenburg" (1775). Dass er mit der "Erdbeschreibung" den Nerv der Zeit traf und sehr bekannt geworden war, wird auch daraus deutlich, dass sein Werk kopiert und plagiiert, unerlaubt nachgedruckt, in andere Sprachen übersetzt wurde etc. Genau wie er geographisch arbeitete, war er zumindest schriftstellerisch auch Historiker, Philosoph und Theologie, teil- und zeitweise gab er Fachzeitschriften heraus.
Seine historischen Arbeiten sind oft raumbezüglich, also scheint auch dabei Geographisches auf. Viele Werke waren implizit als Lehrbücher konzipiert, andere ganz explizit - und dabei ging er thematisch noch weiter, z.B. mit einem Lehrbuch der Naturgeschichte für Anfänger, das in seiner Systematik noch ganz nutzenorientiert und nicht biologisch-systematisch ausgerichtet ist, wenigstens was die Pflanzen betrifft.
Was steht denn nun bei Büsching über Kamen ("Camen" in der damaligen Schreibweise)? Dazu im Folgenden der Beitrag aus der 7. Auflage von Band 6 seiner Beschreibung (1790 in Hamburg erschienen), Seite 71 f., wörtlich und ohne Korrekturen bis auf Abkürzungsauflösungen; alte Schreibweisen von Wörtern sind unverändert übernommen:
Die Stadt Camen, liegt an der Zesicke und ist theils mit Bergen, theils mit einer kleinen Feldmark umgeben. Sie ist eine von den ältesten Städten der Grafschaft, hat eine reformirte Kirche und lateinische Schule, eine lutherische Kirche und ein Nonnenkloster, in welchem die Katholiken ihren Gottesdienst haben. Es sind hier auch unterschiedene Burgmannshäuser, welche adelige Freiheiten haben. Die Stadt hat Sitz und Stimme auf den Landtagen. 1719 hatte sie 374 Häuser und 1413 Menschen, unter welchen 289 Hauswirthe waren, 1765 nur 1058 Menschen. 1776 waren hier 292 Hauswirthe.
Die Darstellung ist knapp gehalten, was beim Umfang von Büschings Werk nachvollziehbar ist, bringt jedoch eine Reihe von Fakten, die für Kamens Stadtgeschichte charakteristisch und bekannt sind. Die Kürze und Einseitigkeit der landschaftlichen Beschreibung weist wohl deutlich darauf hin, dass Büsching Kamen persönlich nicht gekannt hat. Nebenbei, die "Berge", die er erwähnt, sind sicherlich die Lüner Höhe und der Bergkamener (Teil-)Höhenzug mit dem Nordberg. Und noch eine Anmerkung:
Mit dem heute etwas fremd klingenden Begriff "Hauswirt" meinte man jahrhundertelang Hausbesitzer.